Miss Golden Dreams: Eine einzigartige Inszenierung am Badischen Staatstheater Karlsruhe

Was für eine Geschichte: Aufgewachsen in ärmlichsten Verhältnissen, gelingt einem charismatischen Mädchen binnen weniger Jahre ein kometenhafter Aufstieg, hin zu einer Ikone des Films. Indem sie sich einen Platz in der Manege der Hollywood-Chauvinisten erkämpfte, avancierte Marilyn Monroe nach ihrem tragischen Tod 1962 für viele zum feministischen Vorbild.

Was es hinter der schillernden Fassade der von anderen wiederum allein zum Sexsymbol degradierten Schauspielerin aussah, schildert Joyce Carol Oates in ihrem Roman „Blond“. Nach dessen Adaption für Netflix hat er es nun in einer modifizierten Fassung auf die Bühne des Badischen Staatstheaters Karlsruhe geschafft.

Und zwar in einer Inszenierung von Anna Bergmann, der es bravourös gelingt, die Ambivalenzen zwischen der öffentlichen Kunstfigur und einer schwer depressiven Frau zu dokumentieren. Statt der einen, die den Mythos hervorbrachte, wird die Legende gleich von mehreren, ihre Zerrissenheit repräsentierenden Darstellerinnen (u. a. Julia Giesbert, Sina Kießling, Lucie Emons) verkörpert.

Auf fünf großen Holzwänden sehen wir die gloriosen Klischeebilder ihres Lebensweges: Marilyn, die verführerisch schaut, Marilyn, die sich erotisch zu bewegen weiß. Gleichzeitig berichtet eine ihrer Rollenträgerinnen im Vordergrund immer wieder von ihren Träumen und ihrer Verletzlichkeit.

Auch die von Elend und Missbrauch geprägte Kindheit ist in Form einer Puppe häufig auf der Bühne präsent. Allein ist Marilyn an diesem Abend selten. Wenn sie nicht gerade von einer Kamera verfolgt wird, erscheinen ihre übrigens allesamt von Schauspielerinnen gemimten Männer in übergroßen Filmstills. Der Schriftsteller Arthur Miller (Sarah Sandeh), ihr zweiter Gatte, straft sie mit Ignoranz, ihr erster, der Baseballspieler Joe DiMaggio (Anne Müller) verprügelt sie sogleich auf dem Parkett.

Dass Bergmann sich vor allem auf das Opfer Monroe einschießt, mögen manche, die in dem Star eine Rebellin sehen, kritisieren. Aber der Regisseurin geht es um weitaus mehr als um diese eine Diva.

Ihr Stück versteht sich zum einen als Reflexion einer unbarmherzigen, geradezu pornografischen Mediengesellschaft, zum anderen als Anklage der Harvey-Weinstein-Branche in L. A. Letztere erlaubt nur Anpassung und Verzweiflung, was sich in zwei krassen Bildern der Inszenierung niederschlägt: Erst entkleidet sich ein Produzent und gibt in einem überdimensionierten Körperanzug seine Fettleibigkeit preis. Davor die zum Oralverkehr an einem Stoffpenis gezwungene Monroe. Derber und zugleich waghalsiger kann eine Szene kaum ausfallen.

An anderer Stelle erleben wir, wie eine der Protagonistinnen einen markerschütternden Zusammenbruch erleidet. Nachdem sie weinend bekennt „Ich habe meine Babys getötet. Ich bin ein Monster“, wendet sie sich flehend zum Publikum: „Hilfe, bitte helfen Sie mir. Lieben Sie mich?“ Es sind verhallende Worte, Zeugen einer galaktischen Verlorenheit inmitten eines Blitzlichtgewerbes.

Zwischen diesen skurril-komischen und berührenden Episoden wartet das Ensemble mit starken Show-Einlagen auf. Die Liedklassiker der Monroes, insbesondere interpretiert von Frida Österberg, mischen sich mit Songs von Madonna wie „Like a Virgin“. Diese eher subtilen Referenzen auf weibliches Empowerment hätten gern noch gestärkt können. Dennoch gewinnt dieser Abend eindeutig durch seine sinnliche Tiefe. Bergmann zeigt sich als Dirigentin der Emotionen, die Triumph und Niedergang einer der magischsten Leinwandstars auf ergreifende Weise verdichten.

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